zurück zu Fremdprodukten Audi 50 LS
Eisern, vom Munde abgespart wurden im Jahr 1975 genau 9.686,80 DEM für den Kauf eines nagelneuen Audi 50 LS, denn es gab teuere Extras: Signalfarbenlackierung (über 80,00 DEM), Heckscheibenwischer, verstärkte Batterie und Lichtmaschine, Drehzahlmesser, 3-Punkt-Automatik-Sicherheitsgurte, Kopfstützen vorn und H4-Scheinwerfer. Geärgert hat mich die Farbe. Der Aufpreis war nicht geplant und völlig unverständlich. Gewundert habe ich mich über die Stoff-Innenausstattung bei den Preisverhandlungen mit dem Autohaus-Vertreter als wir die Extras-Liste durchgingen: "Möchten Sie Kunstleder-Ausstattung?"

"Ja, wieviel spare ich denn dabei?"

"Nein, das kostet [ich weiß nicht mehr wieviel] mehr!"

"Was? Da verbrennt man sich ja den A… Und dann soll das mehr kosten?"

Ein Unikat war die Heckklappe meines Audi 50 LS. Kurz nach Ablauf der Garantiezeit von damals einem Jahr bemerkte ich auf dem Weg zur Schule in Paderborn einen schleichenden Plattfuß. Als Grund stellte sich ein etwa drei Zentimeter langes und nicht ganz einen Zentimeter breites Metallstück heraus. Es war beim Schließen der Heckklappe aus derselben herausgefallen und hatte sich vor ein Hinterrad gelegt. Beim Rückwärtssetzen habe ich es mir in den Reifen gestoßen und der verlor deshalb langsam aber sicher Luft.

Drei gefalzte Bleche übereinander ohne Rostschutz waren der Grund. Ich hätte eine neue Heckklappe kaufen müssen. Die Lackierung und der Austausch wäre zwar auf Kulanz gegangen, aber trotzdem war mir das zu teuer. Daher beschaffte ich mir ein entsprechend großes Alublech, formte es mit sachten bis kräftigen Hammerschlägen wie die Kante meiner zerrosteten Heckklappe bis in Höhe der Heckscheibe von innen und außen, knallte vier dicke und gut sichtbare Schloßschrauben mit innen liegenden Muttern dadurch und pinselte das ganze Machwerk dick mit Unterbodenschutz ein. Ob es darunter weiter rostete, weiß ich nicht. Jedenfalls hat das bis zur Verschrottung des Autos dazu geführt, daß kein Metallteil mehr herunterfiel – und das Ergebnis häßlichst aussah, so daß jeder, der das sah, sofort fragte, was denn geschehen sei und ich dadurch die Gelegenheit erhielt, gebührend über VW und Audi zu schimpfen.

Im Laufe seines Aufenthalts bei mir ließ ich meinem Audi 50 LS zwei "Tuning-Maßnahmen" angedeihen.

Schon bald nach dem Kauf erhielt er einen Kamei Frontspoiler, der angeblich bei Geschwindigkeiten über 100 km/h für mehr Stabilität der angetriebenen Front des Autos sorgen sollte und dadurch sogar eine höhere Endgeschwindigkeit ermöglichen sollte.

Die zweite "Tuning-Maßnahme" riß auf jeden Fall ein größeres Loch in die Kasse: Ein Recaro-Komfort-Sitz für den Fahrer. Der war zwar deutlich schwerer als der Serien-Sitz, bot aber wesentlich mehr Seitenhalt und erhöhte damit die Kurvengeschwindigkeiten spürbar.

Nach neuneinhalb Jahren, im Jahre 1985, und 119.574,5 gefahrenen Kilometern (bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 7,27 Litern auf 100 km) reichte ich den technisch einwandfreien Audi 50 LS an meinen Bruder weiter. Er fuhr ihn noch ein gutes weiteres Jahr, dann war die Karosserie vollkommen zerrostet und das Auto wurde verschrottet.

Da stand er nun am 1975-12-19 als verfrühtes, selbstgemachtes Weihnachtsgeschenk in ralleygelb, mit den damals noch üblichen 10 Litern Sprit im Tank und keinem Pfennig für weiteren Kraftstoff in der Tasche. Deshalb konnte er erst im darauf folgenden Monat, nach dem nächsten Gehalt, gleich am ersten Wochenende eingefahren werden. Sauerland, ich komme! Tags drauf: 1000-km-Inspektion mit teuerem, mitgebrachtem Synthetik-Öl (da war ich schon unten durch in der Werkstatt!) und dem Checkheft in der Hand stand ich in der Werkstatt und kontrollierte die Arbeiten. (Denn ich hatte keinen Urlaub dafür eingereicht, nachdem mir am Telefon mitgeteilt worden war, daß diese erste Inspektion nur eineinhalb Stunden dauern würde und ich selbstverständlich warten könne. Nur im Checkheft stand was von zweieinhalb Stunden für die 1000er.) Wagen auf die Hebebühne, ohne Handlampe mal kurz drunter hergegangen und schon sollte das Auto wieder auf die Räder gestellt werden.

"Sagen Sie, ist das nicht ein Querlenker? Und das eine Antriebswelle?"

Diese Inspektion kostete dann die vorgesehenen zweieinhalb Stunden und mich den "schwarzen Punkt" auf der Kundenakte.

Bei der zweiten Inspektion – wieder mit mitgebrachtem Motoröl – mußte u. a. das Ventilspiel überprüft und gegebenenfalls eingestellt werden. Selbstverständlich stand ich wieder daneben. Dem Lehrling brach bei der Kontrolle des Ventilspiels eines der entscheidenden Fühlerblätter ab. Er wollte dann ohne Prüfung weitermachen, was ich zu verhindern wußte. Als neues Werkzeug bekam er aber nur ein "Flacheisen", denn das Auslaß-Spiel durfte nur 0,25 haben und sein Maß hatte beim Nachmessen mehr als 0,50. Daß das "Flacheisen" zu dick war, sah ich sofort. Reklamierte, und den herbei gerufenen Meister habe ich zur Sau gemacht. Was wäre wohl geschehen, wenn innerhalb der nächsten 7.500 km die Ventile mit einem Kolben kollidiert wären?

Ein weiterer Zwischenfall mit meinem Audi 50 LS ist erwähnenswert. Eines Tages befand ich mich auf dem Weg zur Hochschule und plötzlich hatte ich das Gefühl auf einem Kamel zu sitzen – jedenfalls schaukelte ich mit dem Auto in ähnlicher Weise. Es stellte sich heraus, daß alle vier Stoßdämpfer gleichzeitig ausgefallen waren. Ein Phänomen, das selbst in der Werkstatt noch niemandem begegnet war. [Die Stoßdämpfer habe ich zuhause getauscht. Die Werkstatt sollte nur prüfen, was ich als Ursache heraus gefunden hatte und ob ich damit richtig lag und welchen Schrott VW herstellte.]

Mein Audi 50 LS wurde im Großen und Ganzen im Alltag eher weniger gefordert. Allerdings war ich schon immer etwas verrückt, wenn’s ums Fahren ging.

Einmal fuhren meine Eltern von Lippstadt (Kernstadt) in Urlaub und wählten die damals relativ neue Autobahn A44, Auffahrt Erwitte. Ich hatte mir als Überraschung überlegt, diagonal zur Auffahrt "Ehringerfeld" zu brettern und ihnen nochmals zum Abschied zu winken. (Diese Auffahrt existiert eigentlich nicht, denn es ist ein Parkplatz, der aber über Schleichwege durch die Felder angefahren werden kann.) Als ich sie kurz vor Geseke überholte und winkte, waren sie sehr erstaunt und wir mußten dort die Autobahn verlassen, um aufzuklären. Meine Mutter dachte schon, ich hätte ihnen das vergessene Transistorradio nachgebracht. Soviel traute sie meinen Fahrkünsten zu.

Ein anderes Mal machten meine Eltern irgendwo in Österreich Urlaub. Ich bin eben für ein Wochenende hin gefahren. Freitag abend nach dem Dienst beim KFMD, dem ich zehn Jahre lang angehörte, in meinen Audi 50 LS gestiegen, gen Süden gebrettert, kam ich nach elf Stunden bei ihnen an. Wir verlebten einen schönen Samstag und ich fuhr spät abends ohne Schlaf wieder zurück. Der Rest vom Sonntag diente dann der Ruhe.

Dieser Höllenritt ist mir gleich aus mehreren Gründen in fester Erinnerung geblieben. Ich fuhr u. a. die A8 von München nach Salzburg. Zunächst lieferte ich mir mit einem nicht mehr ganz taufrischen Mercedes Diesel ein Rennen. Er war hinter mir aufgelaufen, weil ich blockiert wurde. Lichthupe ("Auto mit eingebauter Vorfahrt"). Na klar, mußte wohl sein. Als die Straße vor mir frei war, gab ich Gas, aber nicht zuviel, sonst hätte es keinen Spaß gemacht, denn die Strecke vor mir war absolut frei und zwar so weit ich blicken konnte, kilometerweit. Das wird spaßig. Ich zog sobald wie möglich nach rechts rüber. Der Mercedes holte auf und war irgendwann unmittelbar neben mir. Das war der Zeitpunkt, endlich Vollgas zu geben. Ich zog ihm davon, denn so’n alter Mercedes Diesel war nicht schnell genug. Bis zum nächsten Auto auf meiner Seite legte ich einige Fahrzeuglängen Lücke vor. Ich war eindeutig schneller. Blinker raus und vor den Mercedes gesetzt. Macht der doch tatsächlich wieder die Lichthupe! Manche überschätzen sich bzw. ihre Autos doch erheblich.

Weiter auf der A8 vor Salzburg hatte ich das Schreck-Erlebnis schlechthin. Ich knalle mit Vollgas über die Autobahn. Höchstgeschwindigkeit. Plötzlich leuchten vor mir Bremslichter auf! Voll in die Eisen. Kurz vorm Blockieren aufhören! (ABS gab’s für den Audi 50 LS nicht.) Es ist offenbar ernst. Wann hört das denn auf? Nach einigen aufregenden Sekunden Stillstand. Das war bisher das einzige Mal, daß ich aus Höchstgeschwindigkeit bis zum Stillstand runterbremsen mußte. Der Grund waren die gesperrten Tunnelröhren vor Salzburg. Das hätten die Österreicher auch eher anzeigen können.

Im Sommer 1979 besuchte ich zusammen mit meinem ältesten Freund, der zwischenzeitlich leider bereits verstorben ist, England. Ich hatte zwei handfeste Ziele in England: Lord Montagu’s National Motor Museum in Beaulieu, das liegt in der Nähe von Southampton und beherbergte damals meinen Traumwagen, den Alfa Romeo 8C 2300 mit einer Spider-Karosserie von Touring, und den Laden der Connoisseur Carbooks Ltd. in Chiswick, London für den preiswerten Einkauf angelsächsischer Automobil-Literatur.

Ich hatte keine Probleme mit dem Linksverkehr. Mein Freund gab mir ein Signal, wann ich überholen konnte. Nur ein Mal, in Brighton, habe ich die Straßenseiten verwechselt. In einer schmalen Straße parkten sämtliche Fahrzeuge in Fahrtrichtung rechts. Plötzlich kam mir ein Fahrzeug entgegen und ich wich nach rechts in eine Lücke aus. Der Engländer fuhr grinsend an mir vorbei.